Interview mit einem Bildersucher
C.L.: Austausch – eine wichtige Sache um mit den eigenen Ideen voran zu kommen. Da bin ich wie ein Handlungsreisender, der irgendwo hin fährt, unerreichbar für das tägliche Einerlei, nur damit beschäftigt seine Geschäfte zu machen.“
Wie ist das mit dem „Austauschen“ erzähl mal, du hast doch da schon ein bißchen Erfahrung.
C.L.: „Seit 1990 arbeite ich mit CareOf in Mailand und mit ModeDeParis in Marseille zusammen. Beide Institutionen sind eher lose Verbände von Künstlern. Begonnen hat unsere Zusammenarbeit nach meinem halbjährigen Aufenthalt 1990 in Marseille (Stipendium des OFAJ). Bis heute arbeiten wir über die Distanzen hinweg zusammen. Andere Partner gesellen sich gelegentlich dazu. Das hat sich dann schon auf meine eigene künstlerische Arbeit und gerade auf die Arbeit im Austauch mit Anderen äußerst motivierend ausgewirkt – eine Art omnidisziplinäre Kooperation”.
Erzähl doch mal wie das vor sich geht wenn du arbeitest?
C.L.:„Warum nicht! Auf nicht wenigen meiner Bilder beginne ich die Arbeit wie ein Triebtäter, hinterlasse verstohlen einen Strich im Vorbeigehen, verletze die Reinheit der unberührten Leinwand. Das hat auch was Rausch zu tun – Anderes ist reines Konzept, kalkuliert, kühl berechnet, genau durchdacht.
Ist das nicht ein Gegensatz?
C.L.:„Ja, und? Diese Dinge gilt es in Einklang zu bringen, dann funktioniert plötzlich alles: Versammlung von Wirklichkeit und Fiktion, Verdichtung von Geste und Material. Dualistische Prinzipien – die sind ja schon in meiner Person verankert, ich merke das ja auch. Das reizt mich immer. „Gegensätze ziehen sich an“ sagt man und das stimmt so. Die Reibfläche ist einfach riesengroß wenn sich etwas zunächst wiederspricht, dann aber merkt, daß es ohne das jeweils Andere doch nicht existieren kann.
Scheinbar fängst Du die Wirklichkeit mit den Abbildern von Bällen oder anderen Realismen auf der Leinwand ein!
C.L.: „Aber nein, alle Arbeiten suchen selbst ihren Weg, Ismen sind Ihnen völlig egal. Mit einem fotographierten Bild hat das nur zu tun, weil Ich die Themen zwar sehr genau, aber ohne Methode auswähle, wie der Fotograph den Bildausschnitt. Ich dagegen suche nicht einmal, ich halte mich einfach zur Verfügung. Einige Themen betreffen mich möglicherweise selbst, andere wieder nicht; es ist ein Spiel, bei dem ich offensichtlich betrüge.
Geht Dir das denn leicht von der Hand? Wie bringst du nur alles unter einen Hut?
C.L.: „Ich lasse mich benutzen. Ich versuche nur, Schritt für Schritt, die verschiedenen Zustände von Malerei, die oft aufeinander folgen, auf dem zur Verfügung stehenden Bildraum in Einklang zu bringen. Es ist, als ob sich Gesten, seien es Farbspuren, Pinselhiebe oder beispielsweise irgendein Ausschnitt, unabhängig voneinander auf der Leinwand wiedergefunden hätten. Allmählich finden sich diese einzelnen Elemente, verbinden sich mit anderen oder mit der Wiederholung ihrer selbst, indem sie sich organisieren. Eine Art von >Wohlfühlen< stellt sich ein – das Beste was einem passieren kann.
Wie Ist das dann mit Inhalten, ich meine lohnt es sich darüber nachzudenken?
C.L.: „Gegenstand meiner Malerei ist die Wandelbarkeit der Dinge im Denken, das Ersetzen von vermeintlichem Wissen durch eigenes Wahrnehmen, die Schaffung eines plastischen Prozesses im Kopf. Die Dinge auf den Bildern sind halt oft nicht die Dinge – meist sind sie anders – Das Holz ist kein Holz, der Malgrund ist oberste Malschicht, der gestische Pinselstrich ist in Wirklichkeit präzise kalkuliert und mitunter behutsam geschichtet. Irritationen allenthalben – das reicht als Inhalt, ist vielleicht schon zuviel, schon zu komplex um sich jemals ganz preis zu geben.
Welches Ziel hast Du dabei vor Dir?
C.L.: „Die Arbeit im Ganzen könnte als eine Art Feldforschung beschrieben werden, die auf Erweiterung, auf Integration neuer Erfahrungen und auf die Initiierung von Denkvorgängen angelegt ist.
Hm, aha – aber wie hörst Du dann auf?
C.L.: Ich höre nicht wirklich auf. Sobald ich kann, mache ich mich heimlich davon, um sie – diese seltsame Aura zwischen „alles Klar“ und „keine Ahnung“ eintreten zu lassen. Immer bleibt etwas, das es zu tun gilt – am anderen Morgen – darauf freue ich mich schon!“
Was hast du sonst vor?
C.L.: „Geplant ist eine Fortsetzung der Arbeit über Unterschied und Gemeinsamkeit von Rundformen .“
Was heißt das konkret?
C.L.: „Über das, zunächst rein formale, Interesse an der Integration von “akuraten” Kreis- oder Ellipsen-Formen in gestisch-spontane Malprozesse hat sich die Arbeit in alle denkbaren Richtungen weiterentwickelt. Inhaltliche Fragestellungen traten auf den Plan, wie unter anderem, das formal gleiche Erscheinungsbild von Bällen und Torpedos (Frontalansicht) und der logischerweise unterschiedlichen Betrachter-Reaktion darauf.
Es geht also wieder um dualistische Prinzipien. Prinzipien optisch ähnlicher Erscheinungsformen von Malerei und einer Forschung nach malerischen Möglichkeiten und den Ursachen der oben angesprochenen Betrachter-Reaktionen. Eine Publikation über diese Arbeit ist jedenfalls in Vorbereitung.
Ich verspreche mir daraus schon noch wichtige Aufschlüsse für meine Arbeit und für die Zusammenarbeit mit Anderen. Das ganze ist ja ziemlich interdisziplinär. Die Möglichkeiten an einem einzigen Ort auf eine Vielzahl von Sparten oder Positionen zu treffen, sind eher groß. Genau das interessiert mich seit einiger Zeit.
Danke für das Gespräch, Mart van den Berg